Erste von vier Säulen steht bei der Emmaus-Kirche / Pfarrer Unger beeindruckt bei Vortrag über (Gegen-) Reformation
Ein Symbol der Ökumene, der Historie und des Miteinanders: Dafür steht die Stele, die am Freitag bei der Emmaus-Kirche in Visbek enthüllt wurde. Die 1,50 Meter hohe Säule aus Edelstahl wurde anlässlich des Jubiläumsjahres „1200 Jahre Visbek“ gefertigt und ist Teil eines Stelen-Quartetts. Die anderen drei Stelen werden bei der St.-Vitus-Kirche Visbek, bei der St.-Antonius-Kirche Rechterfeld und beim Visbeker Rathaus aufgestellt.
Pfarrer Wilfried Scheuer hob in einer kurzen Ansprache die Bedeutung des Standorts – neben den Findlingen vor dem Turm der Emmaus-Kirche – hervor. Die Findlinge sind Fundament-Reste einer der ersten katholischen Kirchen in Visbek. Dass der damalige Visbeker Pfarrer und heutige Bischof von Dresden-Meißen Heinrich Timmerevers sie der evangelischen Gemeinde in Visbek geschenkt hatte, sei ein Zeichen des Zusammenhalts beider Konfessionen. Die Stele, auf der das Jubiläumslogo eingraviert ist, erinnere an die Christianisierung; eine Zeit des geistigen, geistlichen und historischen Neuanfangs.
Durch das Projekt habe Visbek dem Wort Quartett eine neue Bedeutung hinzugefügt, sagte Bürgermeister Gerd Meyer. Neben einem Ensemble von vier Solisten in der Musik und der im Volksmund genutzten Bezeichnung eines Quartetts für vier Personen, die immer zusammen unterwegs sind, steht das Quartett nun für „das tolle und respektvolle Miteinander zwischen den Kirchen und der politischen Gemeinde“, sagte der Bürgermeister. Die Stelen würden über das Jahr 2019 hinaus an das 1200-jährige Jubiläum Visbeks erinnern.
Im Anschluss an die Enthüllung der Stele referierte Pfarrer Dr. Tim Unger, Westerstede, zum Thema „Reformation und Gegenreformation im Oldenburger Münsterland“. In seinem knapp einstündigen Vortrag in der Emmaus-Kirche vor etwa 80 Zuhörern zeigte der Theologe und Historiker auf, dass die Menschen die Reformation und die damit einhergehenden Änderungen in der Kirche damals nicht unbedingt als Kirchenspaltung, sondern eher als Reform wahrgenommen hätten.
Die Reformation wurde 1542/43 im Oldenburger Münsterland durch den Bischof von Münster und Osnabrück, Franz von Waldeck, eingeführt. Aus den vorliegenden Quellen geht hervor, dass im Juli 1543 im Amt Vechta eine neue Kirchenordnung eingeführt wurde, der alle Priester folgen mussten. Sie war angelehnt an die deutsche Messe Martin Luthers. Wie die neue Ordnung von den Geistlichen vor Ort aufgenommen wurde, ist nicht überliefert. Nur so viel steht fest: Es gibt keine Quellen über neue Besetzungen der Pfarrstellen, was die These der Reform statt Kirchenspaltung stützt.
1548 musste Franz von Waldeck gezwungenermaßen die neue Kirchenordnung zurücknehmen, da sich die politischen Verhältnisse geändert hatten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dem nur offiziell, also „auf dem Papier“ Folge geleistet wurde, die Praxis jedoch anders aussah. Vermutlich existierte ein Nebeneinander katholischer und lutherischer Lehren. So wurden beispielsweise nachweislich sowohl Messen gemäß den lutherischen Ideen als auch Seelenmessen (Totenmessen im katholischen Glauben) zelebriert.
Als Ferdinand von Bayern 1612 Bischof von Münster wurde, änderte sich das. Er gilt als führende Persönlichkeit der Gegenreformation in Nordwestdeutschland. Er setzte einen Generalvikar ein, der vor Ort dafür sorgen sollte, dass die Pfarrer katholische Gottesdienste feierten. Für Visbek ist überliefert, dass Pfarrer Hermann Stratemann im Amt bleiben durfte, weil er wieder den katholischen Glauben predigen wollte. Verbrieft ist, dass Visbek zu einer Handvoll Gemeinden gehörte, in denen die Reform als erfolgreich eingestuft wurde. Dr. Unger führt das u. a. auf die Person Stratemanns zurück. Während in vielen Orten neue Pfarrer eingesetzt werden mussten, weil sich die Amtsinhaber der Reform verweigerten, blieb der Visbeker im Amt und somit für die Visbeker eine Konstante im Glauben. Insgesamt dauerte es aber noch Jahrzehnte, bis sich die Gegenreformation im Oldenburger Münsterland endgültig durchgesetzt hatte.
Pfarrer Unger schloss seinen Vortrag mit der Mahnung, dass Katholiken und Protestanten zwar in ihren Konfessionen getrennt seien, aber doch vereint im Glauben an Jesus Christus. Er appellierte an die Zuhörer, sich davor zu hüten, die „andere Kirche“ schlecht zu reden, und rief dazu auf, viel mehr im anderen das Gute zu sehen.
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