„Jutta, ich brauche mal deine Hilfe!“, klingt es vom Zuschneidetisch im Nähcafe Visbek. Beim Kürzen von Gardinen ist die Expertise von Jutta Wiens gefragt. Wie viel Zentimeter müssen für den Saum berücksichtigt werden? Wie wird er am besten umgenäht? Während sie am Zuschneidetisch hilft, decken zwei Besucherinnen den Kaffeetisch. Im Nähcafe wird schließlich nicht nur genäht, gehäkelt und gestrickt, sondern – dem Namen entsprechend – auch Kaffee getrunken.
Seit Anfang des Monats ist das Nähcafe, das es seit 2014 in der Gemeinde gibt, im ehemaligen Haus der Familie am Klosterplatz 17 beheimatet. Der Mietvertrag für die bisherigen Räumlichkeiten war Ende 2018 ausgelaufen. Dass das Nähcafe erst seit Kurzem am neuen Standort ist, merkt man nicht, so heimelig haben die Helferinnen und Helfer das neue Domizil innerhalb kürzester Zeit eingerichtet. Schon von weitem ist in großen Lettern an den Fenstern des Obergeschosses „welcome“ zu lesen. Im Erdgeschoss steht von außen in leuchtenden Buchstaben „Nähcafe“ am Fenster. Im Flur fällt der Blick auf ein kleines Regal mit Genähtem, Gestricktem und Gehäkeltem sowie eine kleine Sitzecke. Im Hauptraum mit Kaffeetisch, mehreren Nähmaschinen; Bügelstation und einem großen Zuschneidetisch sticht vor allem die Liebe zum Detail hervor, mit der der Raum eingerichtet wurde. Gläser mit Knöpfen, Garnrollen, ein Regal mit alten Nähmaschinen sowie eine Weltkarte, auf der die Heimatländer der regelmäßigen Besucherinnen und Besucher mit einer Stecknadel versehen sind, verleihen dem Raum einen urigen, gemütlichen Charakter. An den Hauptraum grenzt eine Küche, die sich das Nähcafe mit benachbarten Tafel teilt.
Den Flur entlang, der mit Schnittmustern tapeziert ist, gelangt man zum Materialraum, in dem zahlreiche Kleidungsstücke lagern, die im Nähcafe kreiert wurden, und in dem drei deckenhohe Regale mit Stoffballen stehen. Die Regale ebenso wie den Zuschneidetisch hat das Nähcafe von der früheren Schneiderei Burhorst erhalten. Im Raum gegenüber befindet sich der Charity Shop, ein neues Angebot des Nähcafes. Hier finden Besucherinnen und Besucher Gebrauchtes – vom Babybett über Schmuck bis hin zu Kleidung – und können dafür eine Spende hinterlassen. Das Geld kommt verschiedenen Projekten zugute. Derzeit geht es an den Visbeker Familienfonds „Familien in Not“.
Bevor sich die Besucherinnen an diesem Tag an die Arbeit machen, wird bei Kaffee und Kuchen geschnackt. Dabei geht es nicht nur um Fachliches, sondern auch Privates. „Hier kann man auch über seine Sorgen reden. Ich komme sehr gerne hierher“, sagt eine der Frauen.
Das Nähcafe ist eine Begegnungsstätte für Jung und Alt. In gemütlicher Atmosphäre können sich die Besucherinnen und Besucher beim offenen Nähtreff (dienstags und mittwochs von 15-18 Uhr, mittwochs von 9-12 Uhr) austauschen und ihre eigenen Ideen umsetzen. Fachkundige Unterstützung erhalten sie dabei von Jutta Wiens und Maria Kluth. Wer möchte, kann seine eigene Nähmaschine mitbringen, ansonsten stehen Maschinen, darunter auch eine Industrie- und Overlockmaschine, zur Verfügung. Im Materialraum können sich die Gäste zudem Stoffe, Knöpfe, Garn und mehr aussuchen.
Im Nähcafe ist aber noch weit mehr als Nähen und Kaffeetrinken möglich. In einem vielseitigen Kursprogramm werden beispielsweise Koch- und Backabende, Kurse zur Kosmetikherstellung oder Geburtstagsangebote für Kinder angeboten, aber auch „Klassisches“ wie Nähen für Kids, Patchwork-Kurse oder Nähen für Anfänger.
Ein bisschen Wehmut schwingt bei Jutta Wiens aufgrund des Umzugs mit. Zwar freut sie sich über die neuen und größeren Räumlichkeiten, aber der Charme, im alten Haus durch die Schaufenster direkt in das Nähcafe schauen zu können, fehlt aus ihrer Sicht ein wenig. Dennoch hofft sie, dass nach wie vor viele Besucherinnen und Besucher im „neuen“ Nähcafe zusammenkommen. Mut macht ihr und den anderen Ehrenamtlichen, dass sich zur Eröffnung am 2. Januar zahlreiche Gäste einfanden. Um die Aufmerksamkeit aller Bürgerinnen und Bürger auf das neue Domizil zu lenken, sollen im Vorgarten Palettenmöbel aufgebaut werden. „Je lebendiger es draußen ist, desto mehr hoffe ich, dass die Leute hierher finden“, sagt Jutta Wiens. Ihr größter Wunsch ist es, dass Nähcafe mit Leben zu füllen und weiter die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund durch ein Miteinander und gemeinsames Tun im Nähcafe zu fördern. Ideen, wie das gelingen kann, hat Jutta Wiens noch viele. Geplant ist zum Beispiel ein „Urban Gardening“. Dafür soll ein Hochbeet mit Kräutern angelegt werden, von dem sich jede Bürgerin und jeder Bürger etwas nehmen kann.
Info: Wer sich über das Nähcafe informieren möchte, kann direkt vor Ort vorbeischauen oder auf www.facebook.com/naehcafe.
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