Als die ersten Töne des Schicksalschores „O fortuna“ erklangen, spätestens da war allen Besuchern von „Carmina Burana“ am Samstagabend in Visbek klar: Hier passiert heute etwas ganz Besonderes. In der Tat: Etwa 250 Beteiligte sorgten dafür, dass die mehr als 1200 Zuschauer das Geschehen auf der Bühne gebannt verfolgten und einen unvergesslichen Abend erlebten.
Das Bild, das sich auf dem Rathausplatz in Visbek bot, fasste Bürgermeister Gerd Meyer in seiner Begrüßung zusammen: „Es ist sehr ergreifend und beeindruckend, von der Bühne auf so viele Gäste zu schauen.“ Er hob hervor, dass das Projekt ohne ein großes Miteinander und ohne die Hartnäckigkeit von Hermann-Josef Suelmann, Dirigent des Madrigalchores Vechta, und Dr. Norbert Wiens, Vorsitzender des Madrigalchores und Mitglied des Visbeker Kulturkreises, vermutlich nicht umgesetzt worden wäre.
Dr. Jutta Heyen führte die Besucher in die Entstehung von „Carmina Burana“ ein. Die Texte, die im Mittelalter im Kloster in Benediktbeuern entstanden sind, seien ähnlich alt wie die Gemeinde Visbek. Insofern passt die Aufführung genau ins 1200-jährige Jubiläum, das die Gemeinde in diesem Jahr feiert. Carl Orff entdeckte die Texte 1934 und fühlte sich sofort von ihnen angezogen, erklärte Heyen. Das Gesamtkunstwerk, das er aus der Textsammlung schuf, ist heute das meist aufgeführte Werk der Welt. Es handelt vom Frühling, dem Trinken in der Taverne und der Liebe.
Auf der Bühne boten die Mitwirkenden von der ersten Sekunde an eine imposante Vorstellung. Hermann-Josef Suelmann dirigierte das Schlossorchester Oldenburg und die etwa 150 Sänger des eigens für die Aufführung gegründeten Projektchores, des Madrigalchores und des ungarischen Chores „Cantate Nobis Énekegyüttes“ aus Jászbéreny leidenschaftlich und höchst professionell. Die Solisten Alexandra Scherrmann (Sopran), Philipp Kapeller (Tenor) und Tomasz Wija (Bass) brillierten bei ihren Soloparts.
Für einige Schmunzler im Publikum sorgten die „Ragazzi“, der Kinderchor, die sich unter der Leitung von Johannes Kühling und Linda Hoge ordentlich ins Zeug legten. Tänzerisch sorgten die Visbeker Dörpspringer, die in historischen Kostümen auftraten, und das Tanzstudio „in motion“ aus Vechta für Unterhaltung. Auf einer Leinwand im hinteren Teil der Bühne sahen die Zuschauer Impressionen aus Visbek: den Heidenopfertisch in Engelmannsbäke, Getreidefelder, plätschernde Bäche und mehr.
Den Einsatz der Sänger, Musiker und Tänzer belohnten die Gäste hinterher mit minutenlangem Applaus und stehenden Ovationen, noch bevor die versprochene Zugabe „Freude schöner Götterfunken“ aus Ludwig van Beethovens 9. Sinfonie dargeboten wurde.
Hierbei gaben die Sänger – hierzu gehörte neben dem Chor und den Solisten Scherrmann, Kapeller und Wija auch die Alt-Stimme Melanie Lang – und Musiker noch einmal alles: Voller Inbrunst sangen und spielten sie die Hymne. Das kam so gut an, dass sie davon eine Zugabe darboten – und Dirigent Suelmann animierte das Publikum zum Klatschen und Mitsingen. Deutlicher konnte der Gedanke des Miteinanders und der Völkerverständigung in diesem Moment nicht unter Beweis gestellt werden.
Einen Dank richtete Bürgermeister Meyer an die finanziellen Unterstützer des Projektes. Neben einigen privaten Spendern erwähnte er namentlich die Landessparkasse zu Oldenburg, die Oldenburgische Landschaft und die Oldenburgische Volkszeitung. Auch den Firmen Otto Kühling und Road Sound Veranstaltungstechnik, die für den Aufbau, die Bewirtung und die Technik zuständig waren, sprach er seinen Dank aus.
Ein namentlicher Dank ging zudem an diverse weitere Beteiligte, darunter Britta Johannessohn vom Madrigalchor, Visbeks Kulturbeauftragte Annelies Muhle und die Ehrenamtlichen des Kulturkreises Visbek sowie den neuen Leiter des Schlossorchesters Dr. Johannes Birk.
Als das Feuerwerk den offiziellen Teil des Abends mit einem lauten Knall beendete, waren sich alle einig: Hier wurde mehr geboten, als versprochen wurde.
Fotos: Georg Pundt (68), Albers (2)
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