Ein persönlicher Weckruf zur aktuellen Politik sowie Stellungnahme zu den Haushaltsberatungen 2024 und zur Kreisumlage 2024
Der Haushaltsplan 2024 gibt in seinem Zahlenwerk eindrucksvoll den Blick auf die Wirklichkeit frei.
Äußerst deutlich wird dabei die strukturelle Unterfinanzierung durch Bund und Land und die Auswirkungen des strukturellen Defizits beim Landkreis – ebenfalls staatlich verursacht.
Hierzu möchte ich gerne an die Ausführungen des grünen Finanzministers aus Baden-Württemberg erinnern:
„Wir haben zuletzt Geld auf alles geschmissen. […] Wir haben damit aber eine Anspruchshaltung kultiviert, dass der Staat jeden externen Schock […] für alle zu kompensieren hat.“
Der Tagesspiegel schrieb dazu am 02. August 2023: „Minister Bayaz nennt Geldpolitik der Regierung einen ,Wahnsinn‘“.
Mit Sätzen wie „You’ll never walk alone“ vom Bundeskanzler in einer Generaldebatte im Deutschen Bundestag wird diese Anspruchshaltung, dass der Staat immer hilft, untermauert.
In der Regierungserklärung vom 28. November 2023 legt der Bundeskanzler sogar noch nach: „Die Bürgerinnen und Bürger können darauf vertrauen, dass der Staat seine Zusagen ihnen gegenüber einhält. Wir lassen niemanden allein mit den Herausforderungen, mit denen wir es aktuell so geballt zu tun haben“, versichert der Kanzler. Dies habe er im vergangenen Jahr mit der Formulierung „You‘ll never walk alone“ versprochen und dabei bleibe es.
Die Folgen für die Kommunen und ihre Bürger sehen ganz anders aus: Wir werden immer mehr mit staatlichen Aufgaben und Rechtsansprüchen der Bürgerschaft konfrontiert, ohne dass eine auskömmliche und nachhaltige Finanzierung durch Bund und Land sichergestellt wird.
Dazu ein O-Ton aus dem Finanzministerium des Landes vom 30. Oktober 2023: „Insofern erwarte ich von dem Bund eine nennenswerte Kompensation in den laufenden Gesetzgebungsverfahren. Weder das Land noch unsere Kommunen können aus dem Nichts neue Lücken schließen.“
Diese Kompensationen erwarten wir als Kommunen vom Bund und vom Land.
Meine Wahrnehmung: Die Kommunen sollen es schultern – das letzte Glied in der Kette! Konnexität spielt keine oder nur eine untergeordnete Rolle.
Einige Beispiele dazu und zu gehaltenen Zusagen:
Wegfall von Fördermitteln in einer Nacht- und Nebelaktion von Herrn Habeck – eingeplante 800.000 Euro für unsere neuen Kindergärten stehen uns nicht mehr zur Verfügung.
Wegfall von Fördermitteln für drei Krippengruppen – 540.000 Euro – da die Zuwendungsfristen durch Bauverzögerungen nicht eingehalten werden können. Bund und Land haben sich aus der Investitionsförderung nun völlig zurückgezogen.
Unterstützung vom Land für Personalkosten im Kita-Bereich: Statt vorgesehener 56 bzw. 58 % an Unterstützung sind wir mittlerweile bei 35,6 % angekommen – eine auskömmliche Dynamisierung fehlt. Hier bringen wir mittlerweile über 2,8 Mio. Euro für die gesamte Kita-Finanzierung im Gemeindegebiet auf.
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung im Grundschulbereich ab 2026: Hier stehen uns nach heutigem Stand ca. 470.000 Euro zur Verfügung. Damit sollen wir dann vier Grundschulstandorte nach den entsprechenden Anforderungen, die das Land setzt, ausbauen, was vorne und hinten nicht passen wird.
Digitalpakt Schule: Süßes Gift von Bund und Land, ebenfalls nicht auskömmlich finanziert, aber mit hohen Anforderungen hinsichtlich der Bewilligung der Fördermittel ausgestaltet. Allein seit 2020 ist die Gemeinde hier mit zusätzlichen Mitteln von ca. 130.000 Euro beteiligt gewesen. Für die Kommunen im Land besteht hier allein noch ein Bedarf von mindestens 120 Mio. Euro.
Wohnungs- und Mietwohnungsbau: 400.000 Wohnungen pro Jahr – so steht es im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Fördermittel der Vorgängerregierung werden gestrichen oder gekürzt, zusätzliche Anforderungen ans Bauen den Bauwilligen auferlegt. Baugebiete auszuweisen ist die Forderung des Bundeskanzlers. 400.000 Fachkräfte sollen im Ausland angeworben werden für den Arbeitsmarkt. Ergebnis nach zweieinhalb Jahren: Der Wohnungsbau kommt zum Stillstand und im Mietwohnungsbau werden viele Maßnahmen auf Eis gelegt. Für Visbek bedeutet dies einen Einnahmeausfall von über 8 Mio. Euro. Hier sind Bauplätze ausreichend und zukunftsweisend vorhanden – im Wohnungsbau und im gewerblichen Bereich.
Der Bund treibt es dabei aktuell nochmals auf die Spitze: Wachstumschancengesetz – Entlastung für die Wirtschaft – Versprechungen/ Gesetze zu Lasten der Kommunen.
Die Finanzierung des Gesetzes erfolgt u. a. mit 3,3 Mrd. Euro Steuermitteln bundesweit, die nicht mehr den Kommunen zufließen. Über 200 Mio. Euro pro Jahr niedersachsenweit werden den Kommunen in den nächsten Jahren damit entzogen. Ein Schlag ins Gesicht der Kommunen und letztlich auch für die örtliche Wirtschaft. Durch zwingend notwendige Steuererhöhungen der Kommunen wird die Wirtschaft dann letztlich selbst dieses Wachstumschancengesetz mitfinanzieren.
Krankenhäuser, Stipendien, Gesundheitszentren, Unterbringungsfinanzierung für Geflüchtete, Glasfaserausbau, ÖPNV, Deutschlandticket, Starkregenmanagement, Hochwasserschutzkonzept, Katastrophenschutz, Entsiegelungskataster, Lärmaktionspläne, Wasser 3.0, Umsetzung des Klimafolgenkonzeptes und kommunale Wärmeplanung sind weitere Punkte, die unterfinanziert oder somit von den Kommunen zu bewältigen sind.
Auf entsprechende Resolutionen bzw. sonstige Aktionen des „Städtetages“ oder des „Niedersächsischen Städte- und Gemeindebundes“ gibt es keine oder kaum wahrnehmbare Reaktionen. Außer Ankündigungen, Versprechungen und wohlklingenden Worten in Talkshows ist man weiter in der Verdrängung der Wirklichkeit unterwegs.
Die eigene Trickserei beim Bundeshaushalt 2023 – Opposition und Bundesrechnungshof hatten eindringlich davor gewarnt – und die aktuellen Folgen werden schöngeredet bzw. die Verantwortung dafür nicht übernommen.
Es gibt kaum Selbstkritik – nicht einmal am Tag der Regierungserklärung.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Bundestag Rolf Mützenich sprach sich mit Verweis auf Aufbauhilfen für Gaza für ein erneutes Aushebeln der Schuldenbremse aus – offensichtlich lernt man nicht dazu. Ausgaben werden nicht gekürzt oder hinterfragt, wir sind immer noch weltweit mit dem großen Portemonnaie unterwegs und fordern weitere Sondervermögen und damit weitere Schulden zur Finanzierung ein.
Eine Übersicht vom 23. November 2023 des „Deutschen Städte- und Gemeindebundes“ listet 29 kommunal relevante Vorhaben bzw. Programme auf, die möglicherweise vom Bundesverwaltungsgerichtsurteil betroffen sind. Alles Luftschlösser!?
Stichwort „Sondervermögen“, was ja Sonderschulden sind: Hier liegt das vorhandene Verschuldungspotential nach Mitteilung des Bundesrechnungshofes Ende 2022 bei insgesamt 522 Milliarden Euro – soweit zur Schuldenbremse des Bundes und seiner Schattenhaushalte. Deutschland ist beim nicht-öffentlichen Bereich mit über 2400 Milliarden Euro bereits verschuldet (laut Statistischem Bundesamt für 2023).
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur Schuldenbremse und damit zum Schutz künftiger Generationen wird ausgeblendet. Handlungsfähig sieht man sich nur mit einer prallgefüllten Geldbörse.
Mit dieser Art der Politik treiben wir unsere Wirtschaft und das ganze Land vor die Wand – es macht vielen Bürgern und den Kommunen berechtigterweise Angst.
Dabei wird unsere Wirtschaft der entscheidende Faktor für die anstehenden Transformationsprozesse, für den Klimaschutz und unseren Wohlstand sein.
Noch ein Satz zur Schuldenbremse. Die Schuldenbremse ist im Grundgesetz verankert (Artikel 109 und 115). Vereinfacht gesagt, legt sie fest, dass die Bundesregierung nicht mehr Geld ausgeben darf, als sie durch Steuern einnimmt. Der Haushalt des Bundes ist also grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen. Ein Grundsatz, der in fast allen privaten Haushalten auch so gehandhabt wird.
Ich bin mir sicher, dass dieses Leben über unsere Verhältnisse, auf Kosten künftiger Generationen und dieses kultivierte Anspruchsdenken ein für uns alle bitteres Ergebnis bringen wird.
Aber vielleicht braucht es diese schmerzhafte Entwicklung, damit die Blase, in der sich die Regierungen im Bund und Land befinden, endlich platzt.
Wie sagte es Kurt Schumacher: „Politik beginnt mit dem Betrachten der Wirklichkeit.“
Mit jedem Tag des Zögerns werden wir weitere politische Entwicklungen haben, die keiner von uns möchte.
Davon bin ich überzeugt und daher braucht es mutiges und couragiertes Handeln.
Wir brauchen eine verlässliche Ausfinanzierung der uns übertragenen Aufgaben, ehrliche Analysen und Lösungen für die anstehenden Probleme.
Was können wir leisten in Bezug auf vorhandene Kapazitäten und Leistungsmöglichkeiten? Uns ehrlich machen, auch und insbesondere in der Kommunikation.
Nun zum Landkreis Vechta:
Bund und Land haben kaum noch Spielräume – die Verschuldung steigt und steigt. Die Landkreise sollen die zusätzlichen Aufgaben schultern.
Was macht der Landkreis Vechta? Er agiert wie Bund und Land. Wenn die Taschen leer sind, wird das Geschehen auf die untergeordnete Ebene verlagert.
Jetzt will der Landkreis mit Beschlussfassung durch den Kreistag den Städten und Gemeinden in die Kasse greifen, um auch sein strukturelles Defizit im Bereich Jugendamt, Soziales und Integration von ca. 9,5 Mio. Euro auszugleichen. Die Kommunen werden kurzfristig für die Haushaltskonsolidierung des Landkreises herangezogen, ohne die gesetzlich vorgeschriebenen finanziellen Interessen der Gemeinden zu berücksichtigen.
Für den Haushalt 2024 der Gemeinde Visbek hat die Gemeindeverwaltung den Vorschlag unterbreitet, die Grundsteuern A und B auf den Hebesatz von 335 % anzuheben und Gewerbesteuer auf 345 %. Dieser Vorschlag basiert auf den aktuellen Entwicklungen und damit auf dem hohen Defizit im Ergebnishaushalt von ca. 4,1 Mio. Euro und einem Defizit von dann noch 6,7 Mio. Euro im Finanzhaushalt trotz einer weiteren Kreditaufnahme von 3,2 Mio. Euro. Mit der Steuerhöhung würden ca. 1,03 Mio. Euro an Mehreinnahmen in unseren Haushalt 2024 einfließen und entlasten.
Eine Kreisumlagenerhöhung um drei Punkte bedeutet für die Gemeinde eine zusätzliche Belastung von ca. 670.000 Euro – bei einer der höchsten Steuerkraftmesszahlen. Diese Erhöhung bedeutet für die Gemeinde Visbek eine Steigerung um 28,8 % zur Kreisumlage 2023. Mit dieser Erhöhung würde die vorgeschlagene Steuererhöhung für unseren Haushalt ihre Wirkung völlig verfehlen. Mit einer weiteren Steuerhöhung zum Ausgleich für unseren Haushalt würden wir die Nivellierungssätze des Landes überschreiten.
Statt hier Bund und Land in die Pflicht zu nehmen, sich mit den Defiziten intensiv auseinanderzusetzen, mit unbequemen Folgen ehrlich zu machen und damit konsequenterweise auch persönliche Stigmatisierungs-Befürchtungen abzulegen, verlagert man die Probleme auf die Kommunen und damit auf den kleinen Mann, die kleine Frau bzw. auf den Mittelstand – auf unsere Betriebe.
Für die Bürger und die Betriebe unserer Gemeinde dürfte die Steuerhöhung zur Finanzierung des staatlich verursachten Defizits im Haushalt des Landkreises Vechta nicht nachvollziehbar sein. Sie ist aus meiner Sicht unangebracht und inakzeptabel.
Der Landkreis geht bei einer Erhöhung um 3 Prozentpunkte noch von einem Kreisdefizit von 8,2 Mio. Euro aus – bei Gesamtaufwendungen von 313,9 Mio. Euro und bei Mehreinnahmen von ca. 16,3 Mio. Euro zur Kreisumlage 2023.
Das Gemeindedefizit steigt mit der Kreisumlagenerhöhung auf 4,8 Mio. Euro bei Gesamtaufwendungen von 30,5 Mio. Euro.
Der Kompromissvorschlag der Kommunen mit einer Erhöhung der Kreisumlage um zwei Punkte wird bisher leider ignoriert. Er wurde unter dem Gesichtspunkt der Fairness von den Kommunen eingebracht.
Der Landkreis müsste dann mit einem Kreisdefizit von ca. 10,7 Mio. Euro – statt 8,2 Mio. Euro – agieren, was im Verhältnis zu den Kommunen aus meiner Sicht händelbar sein müsste und was die Argumentation zum staatlich verursachten strukturellen Defizit untermauern würde.
Ich danke in diesem Zusammenhang der Mittelstandsvereinigung auf Kreisebene für die Unterstützung der Kommunen und ihre klare Positionierung zur Kreisumlagenerhöhung.
Ich hoffe, dass der Kreistag sich für diesen Kompromiss ausspricht. Die Stärke des Landkreises Vechta war immer der Zusammenhalt und damit das Miteinander.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Verwaltung weiterhin die Erhöhung der Grundsteuersätze (A und B) auf jeweils 335 Prozentpunkte und die Erhöhung des Gewerbesteuersatzes auf 345 Prozentpunkte.
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