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Archivar Franz-Josef Debbeler machte bei Recherche einen besonderen Zufallsfund

Autorenbild: Gemeinde VisbekGemeinde Visbek

Von Bernd Koopmeiners

Bei seiner Recherche zur Bedeutung der Visbeker Urkunden von 819 und 855 im Heimathaus

machte Archivar Franz-Josef Debbeler einen interessanten Zufallsfund: Kaiser Ludwig der

Fromme (814-840), Sohn und Nachfolger von Karl dem Großen (768-814), unterzeichnete am

12. April 819 in Aachen ein Privileg für die Abtei St. Bavon in Gent. Die Urkunde befindet

sich im Generalarchiv des Königreichs Belgien in Gent /Brabant und ist das älteste Dokument

, das über belgisches Territorium intakt erhalten geblieben ist.

 

Für Archivar Debbeler gilt der griechische Ausspruch: „heureka!“ – ich hab´s gefunden. Die

inhaltlich vergleichbare „Visbeker Urkunde“ für Abt Gerbert Castus in fiscbechi vom 2.

September 819, ebenfalls von Kaiser Ludwig in Aachen unterzeichnet, trägt das gleiche

Siegel wie das Diplom für den Abt in Gent. Wie 2019 in Visbek wurde auch in Gent das

1.200-jährige Jubiläum besonders gefeiert.

Laut Expertise des Staatsarchivs in Gent von 2019 hat der Charter dem Verschleiß der Zeit

standgehalten. Der in eleganten Buchstaben geschriebene Text gibt auch viele historische

Informationen. Die Urkunde mit der Nr. 01 der Sammlung St. Bavo und Diözese Gent ist

unter dem Namen „Louis“ bekannt. (Wird in der deutschen Literatur aber nicht erwähnt).

Aussteller ist Ludwig der Fromme, Kaiser des Karolingischen Reiches. Von seinem Vater Karl

dem Großen geerbt, erstreckte sich damals dieses Reich von Hamburg bis Barcelona; von

Nantes bis Osnabrück einschließlich Meppen und Visbek.


Empfänger war der Abt Einhardus, Abtei Saint Bavon in Gent. Die Abtei sollte für die

zugesicherte „Immunität“ im Gegenzug für den Kaiser, seine Gemahlin, seine Kinder und die

Stabilität des Reiches beten. Der Text dieses und ebenfalls des Visbeker Diploms ist in Latein

verfasst, der „Lingua franca“, der offiziellen Dokumente in der damaligen Zeit. Die

Kaiserurkunde wurde auf Pergament (Tierhaut) in merowingischer Kursivschrift, einer

ziemlich langen und vertikalen Schriftart, mit einer großen Feder geschrieben.

Der Zufallstreffer löste natürlich Überraschung und Freude aus; in Gent und in Visbek wurde

im Jahre 2019 das 1.200-jährige Jubiläum ganz besonders gefeiert. Das Staatsarchiv in Gent /

Belgien würdigte „Louis“ u.a. mit einer Geburtstagsfeier. Das Siegel der Urkunde besteht aus

weißem Bienenwachs, das mit einer Schicht braunem Lack überzogen ist. Im Siegel ist der

Kopf des Kaisers im Profil dargestellt. Die Urkunde wurde in der Kanzlei Ludwigs des

Frommen in Aachen abgefasst. Als Autor wird Faramond im Dokument genannt; ebenso

Kanzler Helischa. Er hatte die Befugnis, die Urkunde durch Versiegelung für amtlich zu

erklären. Im Auftrag des Kanzlers kümmerte sich ein Mann namens Durandus um das

Dokument.


In seinem Monogramm hat Kaiser Ludwig der Fromme mit einem horizontalen Strich die

Urkunde wohl persönlich unterzeichnet. Bemerkenswert ist, dass diese bedeutende Urkunde

über 1200 Jahre erhalten geblieben ist. Die Visbeker Urkunde von 819 wurde nur fünf Monate

später als das Dokument für Gent auch in Aachen ausgestellt und ist inhaltlich ähnlich.

Das Original gilt als verschollen, aber im Landesarchiv NRW in Münster wird eine echte

Abschrift, ein „Pseudo-Original“ vermutlich aus Corvey, aufbewahrt und zusätzlich eine echte

„Visbeker Urkunde von 855“; deren Layout der Urkunde für die Abtei in Gent/Flandern

ähnelt. Nach Auswertung weiterer Dokumente haben Prof. Dr. Manfred Balzer, Mediävist in

Münster, Prof. Dr. Heinrich Schmidt, Oldenburg und Historiker der Universität Göttingen

Visbek - Benediktiner (ca. 800 – 855) als frühes regionales Missionszentrum bewertet.

 

Foto:

Faksimile der Urkunde von 819 für die Abtei in Gent; Quelle: Generalarchiv des

Königreiches Belgien in Gent.

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